Arthur Cantieni erhält die Ehrenbürgerschaft von Kalesija
Zug, 9. Juni 2017
Pressemitteilung des Vereins Zug-Kalesija
Arthur Cantieni erhält die Ehrenbürgerschaft von Kalesija
Damit zeichnet die bosnische Gemeinde den Einsatz des ehemaligen Zuger Stadtschreibers für die langjährige Partnerschaft aus.
«In Anerkennung der besonderen Dienste und des Beitrags zur Entwicklung der Gemeinde» verleiht Kalesija die Ehrenbürgerschaft an Arthur Cantieni. Dieser hat in seiner Zeit als Stadtschreiber die Partnerschaft zwischen Zug und Kalesija als treibende Kraft aufgebaut und etabliert. Seither unterstützt Zug die bosnische Gemeinde mit Hilfe in Notsituationen sowie mit Materiallieferungen für Schulen und Spitäler. Gleichzeitig fördert die Partnerschaft den kulturellen Austausch und die gegenseitige Verständigung.
Ende Mai reiste Arthur Cantieni zusammen mit Huso Dedovic, Co-Präsident des Vereins Zug-Kalesija in die bosnische Gemeinde, um die Ehrenbürgerschaft anlässlich des Gemeindetags persönlich zu empfangen. «Ehrenbürger einer bosnischen Stadt zu sein, ist für mich schon speziell. Ich habe diese Auszeichnung stellvertretend für viele Zugerinnen und Zuger, welche Kalesija in den letzten zehn Jahren unterstützt haben, entgegengenommen. Am 9.September 2017 wird eine Delegation aus Kalesija die Stadt Zug anlässlich des Tages der Nationen besuchen. Ich hoffe, dass mit diesem Besuch die Städtepartnerschaft Zug-Kalesija neue Impulse erhält.»
Rund 1000 Bürgerinnen und Bürger aus Kalesija leben im Kanton Zug. Sie sind vor allem in den 1970er und 1980er Jahren als Bauarbeiter in die Schweiz gekommen. In den 1990er Jahren – während des Bosnienkrieges – haben viele dieser Männer ihre Familien in die Schweiz geholt. Kalesija hat rund 40‘000 Einwohner und ist immer noch vom Bosnienkrieg gezeichnet. Ende 2008 wurde die Städtefreundschaft Zug-Kalesija mit einer Zusammenarbeitsvereinbarung verbrieft. Nebst der offiziellen behördlichen Partnerschaft kümmert sich der Verein Zug-Kalesija um die gegenseitige Zusammenarbeit und um den kulturellen Austausch.
Für Rückfragen:
Rolf Elsener, Verein Zug-Kalesija
Arthur Cantieni
Bildlegende:
Arthur Cantieni (rechts) erhält im Rathaus von Kalesija von Gemeindepräsident Sead Dzafic die Urkunde, die die Ehrenbürgerschaft bezeugt.
Zuger unterstützen bosnische Suppenküche
Der Verein Zug-Kalesija hat der Partnerstadt Kalesija in Bosnien und Herzegowina ein Fahrzeug für den Mahlzeitentransport geschenkt. Damit kann die in der Kantonshauptstadt Tuzla stationierte Volksküche seit Anfang April auch Gratis-Mahlzeiten an bedürftige Bürgerinnen und Bürger von Kalesija liefern.
Rund 150 Personen aus Zugs Partnerstadt Kalesija sind von der kantonalen Suppenküche abhängig. Diese ist in der Universitätsstadt Tuzla stationiert, die rund zwanzig Kilometer entfernt ist. Der Verein Zug-Kalesija stellte dem Mahlzeitendienst deshalb ein Auto zur Verfügung. Co-Präsident Huso Dedovic hat vergangene Woche in Kalesija den Verantwortlichen einen verkehrssicheren Peugeot Expert übergeben. „Dies ist eine sehr hilfreiche Spende“, sagt die Direktorin der Suppenküche. „Wir beliefern von Tuzla aus vier Gemeinden, deshalb sind wir auf funktionstüchtige Transportfahrzeuge angewiesen.“
Kalesija – eine 40’000-Einwohner-Gemeinde im muslimischen Teil von Bosnien – ist Partnerstadt von Zug. Der Verein-Zug Kalesija organsiert einerseits Hilfeleistungen an die Bevölkerung, kümmert sich aber auch um den kulturellen Austausch zwischen den beiden Städten. Im Kanton Zug leben rund 2000 Menschen aus der Region Kalesija.
Goldene Plakette im Stadthaus ausgestellt
Die Stadt Zug hat die von der Partnerstadt Kalesija erhaltene Goldene Plakette im Stadthaus ausgestellt und dies mit einem Apéro feierlich eingeweiht.
Goldene Plakette für die Stadt Zug
Goldene Plakette für die Stadt Zug
Die Stadt Zug erhielt am Wochenende von ihrer Partnerstadt Kalesija die Goldene Plakette. Der ehemalige Stadtschreiber Arthur Cantieni nahm die Auszeichnung entgegen.
Die bosnische Partnerstadt zeichnet jedes Jahr Organisationen oder Privatpersonen für besondere Verdienste aus. Die Auszeichnung an die Stadt Zug erfolgte für ihr Engagement in den letzten Jahren, insbesondere für die Soforthilfe im Zusammenhang mit der Unwetterkatastrophe im vergangenen Jahr. Die Stadt Zug hat damals zusammen mit privaten Geldgebern in der bosnischen Kleinstadt zwölf Notwohnungen hergerichtet. Darin leben nun Familien und ältere Personen, die durch die Flutkatastrophe obdachlos geworden sind.
Kalesija gedenkt jedes Jahr der Menschen, die im Bosnienkrieg bei der Befreiung der Stadt am 23. Mai 1992 ihr Leben verloren haben. Im Rahmen der Feierlichkeiten wurden der in Zug wohnhafte Huso Dedovic, Co-Präsident des Vereins Zug-Kalesija, und Arthur Cantieni, alt Stadtschreiber, für ihr grosses persönliches Engagement beim Aufbau der Partnerschaft zwischen den beiden Städten geehrt.
Kalesija zählt rund 40‘000 Einwohner und ist immer noch vom Bosnienkrieg gezeichnet. Rund 1000 Bürgerinnen und Bürger aus Kalesija leben im Kanton Zug. Sie sind vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren als Bauarbeiter in die Schweiz gekommen. In den 1990er-Jahren – während des Bosnienkrieges – haben viele dieser Männer ihre Familien in die Schweiz geholt. Mit verschiedenen Hilfsgüterlieferungen hat die Stadt Zug in den letzten Jahren einen Beitrag zum Wiederaufbau geleistet (Schulmobiliar, Material der Feuerwehr, des Zivilschutzes und des Werkhofs). Ende 2008 wurde die Städtefreundschaft mit einer Zusammenarbeitsvereinbarung verbrieft.
Datum der Neuigkeit 26. Mai 2015
Quelle: www.stadtzug.ch
Das Versprechen von Kalesija
“Das Versprechen von Kalesija” – Artikel aus dem Zuger Stadtmagazin, Rolf Elsener
Der Bürgermeister bleibt ruhig, die Evakuierten weinen ohnmächtig und der Kranführer aus Zug schüttelt den Kopf. Reportage über die Unwetter-Katastrophe in Kalesija, der bosnischen Partnerstadt von Zug.
Es ist sein grosser Auftritt. 80 Frauen und Männer scharen sich um ihn. Alte Menschen, Familien. Sie haben kein Haus mehr. Ihren ganzen Besitz tragen sie am Körper. In der Kaserne der Militärbasis von Tuzla haben sie ein provisorisches Dach über dem Kopf erhalten, mehr nicht. Hier gibt Huso Dedovic ein Versprechen ab: «Wir können nicht für alle sorgen. Aber wir tun, was wir können, um einigen von euch zu helfen.»
Es ist Mai und Huso Dedovic ist zusammen mit alt Stadtschreiber Turi Cantieni für den Verein Zug-Kalesija (siehe Box) nach Bosnien gereist. Huso Dedovic wurde in Kalesija geboren, hat dann wie seine acht Geschwister sein Glück im Ausland gesucht und ist vor dreissig Jahren als Kranführer in Zug gelandet. Halb Osteuropa versank im Mai dieses Jahres nach langen, starken Regenfällen im Wasser. 420 Erdrutsche gab es alleine auf dem Gemeindegebiet von Kalesija, einer Gemeinde mit 30 000 Einwohnern auf einer Fläche so gross wie der Kanton Zug.
20 Häuser sind zerstört, einige von ihnen verschwanden komplett im Schlamm, 500 Häuser sind beschädigt. Die Gemeinde evakuierte fast tausend Menschen. Wer keine Bekannten oder Verwandten hatte, bei denen er Unterschlupf fand, landete in der Militärkaserne von Tuzla.
Das Haus ist einfach verschwunden
Hajrudin Ikanovic sitzt in einem fensterlosen Raum in der Militärkaserne, ein Stapel Kleider auf dem Bett, ein Nikolaus aus Stoff als einzige Wanddekoration. Der 65-jährige Bauer lebte mit seiner Frau und einem kleinen Pferd in seinem Haus, bis es ein Erdrutsch mitriss. Sein Blick ist wach, die Finger zittrig und gelb von den vielen Zigaretten. «Mein Haus ist einfach verschwunden. Man sieht es nicht mehr, es ist irgendwo unter der Erde.» Das Grundstück ist nun Sperrgebiet, Geld für ein neues oder eine Versicherung hat er nicht. Wie es weitergeht? Der alte Mann saugt den letzten Rest aus seiner Zigarette und zuckt mit den Schultern. «Das kann uns niemand sagen. Von der Gemeinde habe ich nichts mehr gehört, seit ich hier bin.»
Die Zuger Delegation fährt zum Gemeindehaus. Hier empfängt sie Bürgermeister Rasim Omerovic, ein Mann mit ruhiger Stimme und melancholischen Augen. Turi Cantieni und Huso Dedovic, der Kranführer aus Zug, sind Ehrengäste am Sitzungstisch, auf Augenhöhe mit dem Bürgermeister. Der Verein Zug-Kalesija hat einen Lastwagen voller Hilfsgüter mitgebracht, die er mit der Zuger Bevölkerung gesammelt hat. Und 20 000 Franken Soforthilfe, die Zug als Partnerstadt gesprochen hat. Der Bürgermeister verweist auf die Notlage und möchte das Geld so schnell wie möglich auf dem Konto der Gemeinde haben. Die Zuger Delegation entscheidet sich gegen eine Direktauszahlung.
Der halbe Politapparat der Gemeinde sitzt in gepolsterten Ledersesseln an diesem Tisch im Rathaus: der Präsident der regierenden Partei, der Sekretär des Bürgermeisters, der Chef der Verwaltung. Müde schauen sie aus. Die Gemeinde muss Strassen reparieren, die Trinkwasser-Versorgung wieder aufbauen, die Obdachlosen betreuen und mit Veterinären die Seuchengefahr dämmen, die von Tierkadavern in den Rutschgebieten ausgeht. Ein Beamter hat einen Zettel dabei und erzählt von zwölf Notwohnungen, die nach dem Krieg für Flüchtlinge gebaut worden sind, heute aber nicht mehr bewohnbar sind. Diese Wohnungen will er Huso Dedovic und Turi Cantieni zeigen.
Sparsam, bescheiden und mächtig
Rund 1200 Menschen aus Kalesija leben im Kanton Zug, die meisten wie Huso Dedovic sparsam und bescheiden. In ihrer Heimat Bosnien dagegen haben sie Macht und Einfluss– und vor allem Geld. Huso Dedovic besitzt mit seinen zwei Söhnen und deren Familien zwei Häuser und Industrieland in Bosnien. Dort ist ein Schweizer Büezer-Lohn von 5000 Franken ein fürstliches Gehalt, denn wer in Bosnien Glück und Arbeit hat, verdient rund 350 Franken pro Monat. Der Sekretär des Bürgermeisters führt uns an einen Ort, der aussieht wie eine Ferienhaus-Siedlung: bunte Häuschen in Reih und Glied, rundum nur Wiese. Doch der erste Eindruck täuscht. Die Wohnungen sind nur knapp 40 Quadratmeter gross, Fenster samt Rahmen fehlen, Wasserhähne, Duschbrausen sind abgerissen, in den Räumen liegen Dreck, alte Schuhe und löchrige Kleider. Eine holländische Hilfsorganisation errichtete nach dem Bosnien-Krieg vor zwanzig Jahren diese Häuser für Muslime, die vertrieben worden waren. Die Flüchtlinge sind längst ausgezogen und haben mitgenommen, was zu verkaufen oder zu verwenden war. Seither hat sich niemand mehr um diese Wohnungen gekümmert.
Huso Dedovic und Turi Cantieni sehen hier die Chance, das Versprechen einzulösen. Noch am selben Tag starten sie ein Offertverfahren und finden einen lokalen Baumeister, der zwölf Wohnungen renoviert für circa 5000 Franken pro Wohnung. Der Verein Zug-Kalesija hat das Geld bei Firmen – zum Beispiel der Roche in Rotkreuz – und Privaten gesammelt.
Schweben zwischen zwei Identitäten
Im August fährt Huso Dedovic ein weiteres Mal nach Kalesija, den Ort, der ihm Heimat ist und ihn doch dauernd irritiert. Er verlangt von Behörden und Arbeitern Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Tempo. Sein Auto fährt er nie auch nur einen Kilometer pro Stunde über der Limite. Er schwebt zwischen zwei Identitäten, in der Schweiz der Bosnier, in Bosnien der Schweizer. Die Wohnungen sind nun frisch gestrichen, sie haben Fenster, einen Holzboden, eine Dusche und ein WC. Naza und Meho Mujanovic haben mit ihrem Sohn, dessen Frau und der dreijährigen Enkelin eine Wohnung bezogen. Küche, Stube, Zimmer, Bad auf 40 Quadratmetern. Naza weint. Sie und ihre Familie wurden erst vor einer Woche aus ihrem Haus evakuiert, das sie nach den Unwettern noch bewohnen konnten. Weil sich jetzt aber auch bei ihnen der Boden bewegt und die Wände zu reissen beginnen, mussten sie raus. «Es ist zu eng hier für fünf Personen. Wenn uns die Gemeinde bis Dezember keine bessere Lösung anbietet, übernachten wir vor dem Rathaus.»
Der Chef der Gemeindeverwaltung ist gekommen. Er schaut sich die frisch renovierten Wohnungen an und hat eine gute Nachricht dabei. Fast alle 80 Personen haben die Militärbasis verlassen und eine Notwohnung beziehen können. Wie lange es daure, bis die Leute wieder ein festes Zuhause haben, bis sie irgendwo wieder ein Haus oder eine Wohnung bauen können, das wisse man nicht, sagt er. «Das liegt nicht in unserer Macht. Die Gemeinde hat kein Geld. Wir müssen auf den Staat und auf internationale Hilfe hoffen», sagt er in ruhigem Ton. Er hat sich offenbar an das Gefühl der Ohnmacht gewöhnt.
Nijaz und Suvada Suljic fahren mit einem klapprigen VW-Bus heran, sie kommen mit ihrem ganzen Hab und Gut – zwei Betten und ein paar Kleidern – von der Militärbasis. Auch ihr Haus liegt unter der Erde, zusammen mit der Agrarfläche, die jedes Jahr Tonnen von Zwetschgen zum Verkauf und genügend Gemüse für den Eigenbedarf sicherte. Jetzt ziehen sie in die kleine Wohnung, zusammen mit ihrem 22-jährigen Sohn Dino, der weder ein eigenes Zimmer noch ein Bett haben wird. Er schläft auf dem Sofa, sofern sie denn eines erhalten. Nijaz und Suvada sind trotzdem guter Laune. «Wir sind glücklich, dass wir hier einziehen können», sagt Nijaz. Er freue sich, eine eigene Toilette zu haben und sich ohne Begleitung eines Soldaten bewegen zu dürfen. «Auf der Militärbasis haben uns viele Leute Hilfe versprochen. Die Leute aus Zug sind bis heute die einzigen, die Wort gehalten haben.»
Diesen Satz murmelt Huso Dedovic auf seiner Heimfahrt nach Zug mehrmals leise vor sich hin.
Quelle: Artikel aus dem Stadtmagazin Nr. 10 (Seite 23-27).
Stadtmagazin Nr. 10 als PDF (Artikel Seite 23-27)
Zwischenstand – Sanierungen Notwohnungen in Kalesija
Erste Tranche der Sanierungsarbeiten abgeschlossen
Die erste Tranche der Sanierungsarbeiten ist abgeschlossen. Es wurden 6 Wohnungen saniert und bezugsbereit an die Opfer der Flutkatastrophe übergeben. Die zweite Tranche mit weiteren 6 Wohnungen steht nun an.
Dank der Soforthilfe der Stadt Zug mit 20’000 Franken und weiteren 10’000 Franken an Spenden von Firmen und Privatpersonen, ist es dem Verein Zug – Kalesija gelungen, die erste Tranche der Sanierungsarbeiten abzuschliessen. Somit wurden im August 6 der 12 zur Verfügung gestellten Wohnungen renoviert und an die Opfer der Flutkatastrophe und Erdrutsche übergeben. Die Wohnungen wurden bereits bezogen. Als Baupartner für die Sanierungsarbeiten wurde in einem Offertverfahren die Firma KUW-ing d.o.o. Kalesija ausgewählt.
Zweite Tranche
Um die restlichen 6 Wohnunen zu sanieren ist der Verein Zug – Kalesija wurden Privatpersonen und Firmen aus der Region Zug angeschrieben.Mit den eingeganenen Spenden und Vereinbarungen sollte die zweite Tranche in Bälde gestartet werden können. Das Ziel ist und wird sein, die Sanierungsarbeiten vor dem Wintereinbruch abzuschliessen und weiteren Opfern der Flutkatastrophe ein Dach über dem Kopf zu bieten.
Der Verein Zug – Kalesija bedankt sich bei allen intitutionellen und privaten Spenderinnen und Spendern sowie allen Helferinnen und Helfern die diese nachhalitge Hilfe ermöglicht haben.
Quellenangaben:
Video: Neon Televisija, Kalesija
Bilder: ZVG Rolf Elsener
Sanierungen Notwohnungen in Kalesija
Spendenkonto Verein Zug-Kalesija:IBAN: CH16 8145 4000 0066 7147 7
Vermerk: Flutkatastrophe
Hilfsaktion: Trümmerfeld in Kalesija (Aritkel aus der Zuger Presse)
420 Erdrutsche suchten die bosnischen Partnerstadt von Zug heim. Der Verein Zug-Kalesija will einigen Menschen ein Dach über den Kopf geben. Rolf Elsener «Mein Haus ist einfach verschwunden.» Hogrudin Ikanovic (65) lebte mit seiner Frau als Bauer in Kalesija. Alles, was er hatte, war sein kleines Heim. Das hat ein Erdrutsch mitgerissen, ausgelöst durch die schweren Regenfälle in Osteuropa im Mai.
20 Häuser wurden in Kalesija völlig zerstört. Über 500 teils stark beschädigt. 900 Menschen wurden evakuiert, die meisten fanden bei Verwandten Unterschlupf. Hogrudin Ikanovic kann auf keine private Unterstützung zählen. Momentan lebt er in einem kleine Zimmer auf dem Gelände der bosnischen Armee. Zusammen mit anderen rund 70 Menschen, die das gleiche Schicksal teilen. Die Stadt Kalesija verfügt über zwölf Notwohnungen, welche die Behörden den obdachlosen Menschen zur Verfügung stellen können. Doch sie sind in einem desolaten Zustand. Es fehlen Fenster,
Sanitär-Apparaturen, Elektrizität.
Die Sanierung einer Wohnung kostet im Durschnitt 5160 Franken; die Bereitstellung von zwölf Wohnungen 62 000 Franken. Geld, das die Stadt Kalesija nicht hat.
Deshalb unterstützt der Verein Zug-Kalesija die bosnische Stadt und sammelt Geld: Der Stadtrat von Zug hat einen Kredit über 20 000 Franken gesprochen, ein Gesuch beim Kanton für 20 000 Franken ist eingereicht. Den restlichen Betrag will der Verein mit Spenden von Unternehmen und Privaten zusammenbringen.
Im Kanton Zug leben rund 2000 Menschen, die aus der Region Kalesija stammen. Die Zuger Bevölkerung hat bereits acht Tonnen Hilfsgüter (Kleider, Hygienemittel, Werkzeuge) gespendet, die vor rund
zehn Tagen in Kalesija eingetroffen und an die Betroffenen verteilt worden sind.
Spendenkonto Verein Zug-Kalesija:
IBAN: CH16 8145 4000 0066 7147 7,
Vermerk Flutkatastrophe
www.zug-kalesija.ch
Quelle: Artikel aus der Zuger Presse vom 04.06.2014
Fotoprojekt mit Lukas Hoffmann
Bilder aus Kalesija: Fotoprojekt mit Lukas Hoffmann und Jugendlichen aus Kalesija
Der Fotograf Lukas Hoffmann hat im Auftrag der Stadt Zug Kalesija besucht und eindrückliche Bilder in die Schweiz gebracht.
Fotoalbum: Lukas Hoffmann – Kalesija
Doch nicht nur das: Um den Blick von aussen auf Kalesija mit dem Blick von innen zu ergänzen, hat er einem guten Dutzend bosnischer Kinder einen Fotoapparat in die Hände gedrückt. Ihre Bilder ermöglichen einen intimen Blick in ihren Alltag: Auf ihre Familienangehörigen, ihren Fussballplatz, in ihre Nachbarschaft oder in ihre Schulzimmer.
Fotoalbum: Bilder aus Kalesija
Sowohl die Bilder von Lukas Hoffmann sowie auch diejenigen der Jugendlichen aus Kalesija wurden im Rahmen des interkulturellen Festes “Kalesija tanzt” am 4. Juni 2010 im Casino Zug gezeigt.
Quelle: stadtzug.ch
Besuch in Kalesija 2009
Am Ostersonntag, abends punkt sechs Uhr, holte uns Eljub Ramic mit dem Auto in Oberwil ab und fuhr uns zur Autobahnraststätte Neuenkirch. Dort warteten schon zahlreiche Bosnierinnen und Bosnier auf den Bus aus Zürich, der sie in ihre Heimat fahren wird. Begleitet waren sie von ihren Verwandten, die sich von ihnen verabschiedeten. Nach unserem „Grüezi“ realisierten die Wartenden, vorerst zögerlich, dann aber mit herzlichem Zunicken und wohlwollenden Blicken, dass wir gemeinsam reisen würden. Wir fühlten uns bereits zugehörig. Kurz darauf traf der Bus ein. Wir stiegen ein, verstauten das Gepäck und schon begann die lange Fahrt. Alle winkten zum Abschied ihren Angehörigen; wir verabschiedeten uns von Eljub, der nach Zug zurückfuhr.
Nun sassen wir in der kleinen Welt des Busses, umgeben von liebenswürdigen Menschen, mit denen wir schon bald rege Gespräche führten. Derweil ging die Fahrt Richtung Gotthard bis zur Grenze in Chiasso zum ersten Kaffeehalt. Danach reisten wir weiter über Venedig nach Slowenien. Wir versuchten, in den nicht unbedingt bequemen Sitzen eine halbwegs passable Ruheposition zu finden. Unsere Reisegefährten, viel erfahrener als wir, gaben uns Ratschläge. Schliesslich fanden wir müde einen kurzen Schlaf, denn um 04.30 Uhr in der Früh erreichten wir die kroatische Grenze, wo wir zum ersten Mal unsere Pässe zeigen mussten. Schnell war dann die Weiterfahrt über die Autobahn zur bosnischen Grenze, wo wir um acht Uhr ankamen. Hier endeten auch die bequemen Strassen. Langsam nur ging es jetzt auf engen Nebenstrassen vorwärts. Bei einem weiteren Kaffeehalt mit Morgenessen kurz nach der Grenze konnten wir uns stärken. In diesem Beizli erlebten wir die ersten von vielen herzlichen Begegnungen. Menschen, die kamen, und solche, die zurück in die Schweiz fuhren, begegneten und umarmten sich. Wie selbstverständlich wurden wir rundum wie alte Freunde vorgestellt, obwohl wir uns noch keinen Tag kannten.
Gegen Mittag, nach einer 18-stündigen Carfahrt, erreichten wir bei kühlem, durchzogenem Wetter rechtzeitig Tuzla. Hier begrüssten uns freundlichst Elvis Dedovic und seine Frau Amra. In seinem bequemen Auto – nota bene mit Zuger Nummer – ging’s weiter zu unserem Hauptreiseziel, der Stadt Kalesija. Die Fahrt hatten wir nur unterbrochen für einen kurzen Mittagshalt in einem gemütlichen Landgasthof. Unser Hotel in Kalesija war einfach, sauber und wir wurden bestens bedient. Wir ruhten etwas, bevor uns am frühen Nachmittag Elvis und Amra zu einer kleinen Stadtrundfahrt abholten. Die ersten Eindrücke: immer noch Spuren des Krieges auf dem Balkan, halb zerstörte Häuser, von Maschinengewehrgarben verunstaltete Hausfassaden – was haben diese Menschen erleben müssen? Elvis und Amra fahren uns aus der Stadt nach Brda. Dort empfing uns die ganze Familie Dedovic. Der Empfang, die Gastfreundschaft in ihren im Krieg zerstörten und jetzt wieder aufgebauten Häusern war unglaublich herzlich.
Gegen Abend fand der offizielle Empfang des Stadtrates von Kalesija statt. In einem kleinen historischen bosnischen Häuschen, bei loderndem Cheminefeuer trafen wir uns mit dem Stadtpräsidenten Rasim Omerivic und seinem Schreiber Osmo Halilovic. Bosnische Spezialitäten zuhauf wurden in bunter Reihenfolge aufgetischt. Abgerundet wurde das köstliche Essen mit einer süss-sauren Dessertspezialität. Danach brachen wir auf zu einem weiteren Aussenbezirk, wo uns eine prächtig zusammengewürfelte Stadtprominenz erwartete. Die Gespräche waren das reinste Durcheinander, aber herzlich und irgendwie und in allen möglichen Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Gesten und Handzeichen.
Am anderen Morgen führten uns der Stadtpräsident und der Stadtschreiber noch einmal durch Kalesija. Wir besuchten verschiedene Schulen. Empfangen wurden wir von Schulleitern, Lehrern und Kindern mit Liedern und Dankbarkeit. Sie zeigten uns wie dringend die Hilfsgüter aus Zug, Schulbänke, Pulte, Wandtafeln usw. gebraucht werden. In dieser Stadt mit 40‘000 Einwohnern steht eine einzige Turnhalle; zwei Schulklassen turnten gemeinsam. Für uns ehemalige Lehrer war dies beeindruckend. Man stelle sich das in Zug vor: Turnunterricht mit 90 Kindern in einer Halle! Aber es gibt Zeichen des Fortschritts. Stolz zeigte man uns die Baustelle einer neuen Sporthalle. Das Projekt überzeugte. Ein Besuch bei der Feuerwehr durfte nicht fehlen. Wir sahen viel ausgemustertes Material unserer Freiwilligen Feuerwehr (FFZ), das hier noch einige Jahre gute Dienste leisten wird. Im Verlaufe des Nachmittags folgte der offizielle Empfang im Stadthaus. Sogar das Bosnische Fernsehen war anwesend. In der nationalen Tagesschau wurde über die Hilfsgüterlieferungen aus Zug sehr positiv berichtet.
Mit Huso Dedovic besuchten wir das Abendgebet in der nahen Moschee. Nach dem Gebet sassen wir mit dem Imam in einem Strassenkaffee zusammen. Eindrücklich werden mir seine Worte in Erinnerung bleiben: „Kirchen und Moscheen haben nur einen Sinn, wenn die Besucher diese in friedlicherem Zustand verlassen!“
Am Mittwoch Morgen wurde wir vom Stadtschreiber und Huso Dedovic abgeholt. Das Wetter hatte sich gebessert. Bei Sonnenschein fuhren wir durch eine fantastische, unberührte Landschaft entlang der serbischen Grenze Richtung Srebrenica. Die Gedenkstätte mit den 10’000 weiss leuchtenden Grabsteinen erschütterte uns. In Europa, nur eine gute Flugstunde von uns entfernt, ein Völkermord, der nicht hätte sein dürfen. Zwei junge Bosnier erklärten uns die Ereignisse vom Juli 1995. Unglaublich welche Greueltaten sich hier vor gut 14 Jahren abgespielt hatten. Noch immer werden Leichname in Massengräbern gefunden, die mit DNA-Analyse identifiziert und dann würdevoll bestattet werden. Wie sagten doch alle nach dem 2. Weltkrieg: „Nie wieder Krieg!“ – und trotzdem wurde Srebrenica zur traurigen Wahrheit.
Huso, der ebenfalls Verwandte im Krieg verloren hatte, beeindruckte uns mit dem Satz eines holländischen Studenten: „Nur ein Vorwärtsschauen und einen Einsatz für den Frieden bringt uns weiter!“
Zurück in Kalesija, für uns bereits ein bisschen „Heimat“, erwartete uns der Sattelschlepper, der inzwischen mit einer weiteren Lieferung Hilfsgüter aus Zug eingetroffen war. Wir durften diese dem Stadtpräsidenten offiziell übergeben. Feuerwehruniformen, Stühle von der Hochschule Luzern, Büromöbel von der Stadtverwaltung wurden freudig abgeladen und im Feuerwehrdepot zur weitern Verteilung sorgfältig aufgestapelt. Immer wieder wurden uns die Hände gedrückt, wir spürten tiefe Dankbarkeit.
Später, draussen im Dorf Brda, konnten wir gegen Abend durch die herrliche Landschaft spazieren. Dabei fotografierten wir liebliche Heutristen, wie wir sie noch vor 30 Jahren auf dem Zugerberg vorfanden. Abgeschlossen wurde der Tag bei der Familie Dedovic, die uns wiederum zu einem feinen Nachtessen eingeladen hatte.
Am Donnerstag morgen um sechs Uhr hiess es Abschied nehmen. Stadtschreiber Osmo holte uns im Hotel ab. Ein junger Student begleitete ihn als Übersetzer. Ein letztes Mal schauten wir zurück nach Kalesija, ehe es weiter ging durch herrliche Städte und Provinzen Richtung Sarajevo. Diese in einem Talkessel liegende Hauptstadt ist von beeindruckender Schönheit. In der wunderbaren historischen Altstadt genossen wir zum Mittagessen Sarajevo-Chewabji, kleine grillierte Würstchen mit Zwiebeln und Tomate in einer Brottasche. Danach fuhren wir nach Mostar, wo wir die Altstadt und die nach der Zerstörung wieder aufgebaute historische Brücke bewunderten. Auch hier waren immer noch unzählige Kriegsschäden sichtbar. Wir setzten die Fahrt fort zum Meer. In Neoum, dem einzigen bosnische Meereszugang, trafen wir nochmals Stadtpräsident Rasim Omerovic. Er hatte sich hier zu einem Treffen mit allen bosnischen Gemeindepräsidenten eingefunden. Ein kurzer, herzlicher Abschied – man würde sich wieder sehen: in Zug, Kalesija oder irgendwo auf der Welt. Schliesslich folgte die letzte Etappe auf dem Balkan, die Fahrt über die kroatische Grenze nach Dubrovnic. Hier verabschiedeten wir uns dankbar von Stadtschreiber Osmo und seinem Übersetzer.
Wir erholten uns noch zwei Tage im herrlichen historischen Dubrovnic und fuhren dann mit dem Schiff über die Adria ins italienischen Bari, wo wir den Zug Richtung Schweiz bestiegen.
Der Aufenthalt in Kalesija, die lange Fahrt durch ganz Bosnien, die vielen Begegnungen mit liebenswerten Menschen und unzählige Gespräche über Politik, Kultur und Wirtschaft waren eine Bereicherung unserer Lebensreise, die weiter gehen und uns – davon sind wir überzeugt – wieder einmal in das aufstrebende Bosnien führen wird.
Mit einem Zitat des bosnischen Schriftstellers und Philosophen Ivo Andric schliessen wir diesen Bericht ab: «Alles im Leben ist ein Brücke, ein Wort, ein Lächeln, das wir dem andern schenken.»
Susi Bossard-Rhyner, Andreas Bossard-Rhyner, Stadtrat
Quelle: stadtzug.ch