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Die Mütter von Srebrenica

Zeitzeugen – Die Mütter von Srebrenica

Die Mütter von Srebrenica berichten

Sie blieben nach dem Massaker in Bosnien alleine zurück: die Mütter und Witwen von Srebrenica. Am 11. November 2013, 19.30 Uhr, in der Aula des Kaufmännischen Bildungszentrums Zug, berichten drei Frauen aus Srebrenica über die Ereignisse damals und deren Folgen.

Im Juli 1995 wurden in Srebrenica (Bosnien) vor den Augen der Weltgemeinschaft 8000 Männer und Jungen deportiert und hingerichtet. Sie hinterliessen zahllose Waisen und hilflose Mütter. Heute – 18 Jahre nach dem Massaker – erzählen die Mütter von Srebrenica von ihrem Kampf um Gerechtigkeit: Munira Subasic, Zumra Sehomerovic und Sehida Abdurahmanovic haben dieser Aufgabe ihr Leben gewidmet und berichten live in Zug von ihren Erlebnissen: von den Kriegswirren und dem Völkermord in Srebrenica, dem Kampf um die Verurteilung der Kriegsverbrechen und den zähen Mühlen der internationalen Justiz.

Der Anlass wird vom kürzlich gegründeten Verein Zug–Kalesija organisiert. Er wird von Stefan Werner Huber, der sich in einer Masterarbeit in das Thema vertieft hat, moderiert.

Hinweis
Die Mütter von Srebrenica (Opferorganisation des Massakers von Srebrenica)
Öffentliche Podiumsdiskussion, Montag, 11. November 2013, kleiner Apéro ab 19:00 Uhr, Beginn Veranstaltung 19:30 Uhr, Aula Kaufmännisches Bildungszentrum Zug, freier Eintritt frei

 

Stefan Huber, SEK I-Student der PH Luzern, sprach am Montag in der Tele 1-Sendung «Focus» über den Anlass «Die Mütter von Srebrenica», den er im Rahmen seiner Masterarbeit mitorganisiert hat.

tele1.ch:

Video zum Download

 

PH Luzern:

Ein Gesprächsabend mit Zeitzeuginnen

 

Gedenkfahrt nach Srebrenica

Anlässlich des Gedenktages vom 11. Juli 1995, als in Srebrenica fast 8000 bosnische Knaben und Männer ermordet wurden, organisierten die beiden Städte Zug und ihre Partnerstadt Kalesija vom 6.-12. Juli eine Reise nach Bosnien.

Mit dabei: eine Reisegruppe aus Zug zusammen mit einer Delegation des Stadtrats. Die aktuellen Fotos finden Sie auf stadtzug.ch.

Quelle: stadtzug.ch, Foto: Michaela Eicher

Artikel im Stadtmagazin 3/2013, S. 26:

Umblättern geht nicht</>

Tausende Gräber, 520 neue Särge, unzählige zurückgebliebene Frauen. Ein Besuch in Zugs Partnerstadt Kalesjia – zwanzig Jahre nach Ausbruch des Bosnienkriegs.

Das Bild mit den Särgen kennen wir aus dem Fernsehen. Alles andere hat auf keinem Bildschirm Platz. Die Halle etwa, in der sie aufgebahrt sind. Der undefinierbare Geruch, der den Raum füllt. Die drückenden vierzig Grad. Die Schwere der ständig neu belebten Trauer. Oder das weiss gekleidete Paar zwischen den Sargreihen auf der Suche nach dem Sohn, von dem es sich endlich verabschieden möchte. Vater und Mutter, die ihr Kind dann auch finden, vor ihm niederknien, beten. Belauert von einer Horde Fotografen, deren Foto wir anderntags in der Zeitung überblättern. Weil wir es schon kennen, tausendmal gesehen haben. Jetzt aber sehe ich das alles in echt vor mir. Umblättern geht nicht.

Fünfhundertzwanzig
«Es wird heavy.» Eljub Ramic hatte mich vorgewarnt. Der 30-jährige Zuger begleitet uns, eine Reisegruppe und eine Delegation des Stadtrates, auf dem Weg durch Bosnien in Zugs Partnerstadt Kalesija und zur Gedenkstätte in Potoc&#780;ari bei Srebrenica. Es ist eine Reise in seine alte Heimat. Er übersetzt, hilft beim Organisieren, zeigt uns seine Lieblingsorte. Die Gedenkstätte ist keiner davon. Aber jetzt stehen wir hier vor dieser Halle. Drinnen die Särge, draussen die Grabsteine, mittendrin die Ohnmacht. Schauen in die Augen einer Frau, deren gesamte Familie ausgelöscht wurde. Ich versuche, mir das nicht im Detail vorzustellen. Und dann erzählt sie, wie die Frauen von den Männern getrennt wurden, wo sie ihre beiden Söhne, ihren Mann zum letzten Mal sah. Es ist die Geschichte dreier von über 8000 Knaben und Männern, die beim Völkermord während des Bosnienkriegs getötet wurden. Beim Eingang der Halle hängt eine Liste mit Namen und Nummern. Fünfhundertzwanzig. So viele Leichen wurden im vergangenen Jahr neu identifiziert. Teils nur dank einzelner Knochen. Der Schädel lag dort, der Rest woanders. Ausgegraben unter irgendeiner Wiese, mit Blumen, die dort nicht wachsen würden, wenn kein Massengrab darunter läge.

Die ganze Geschichte hinter dieser unvorstellbaren Tragödie in ihrer Komplexität zu erfassen, scheint für Aussenstehende unmöglich. Einer, der das kann, begleitet uns als Reiseführer. Tobias Wernle kennt Bosnien seit den frühen 1970er-Jahren. Als Schweizer darf er sagen, was Einheimische nicht zu denken wagen. Geduldig beantwortet er all unsere Fragen, versucht zu formulieren, was niemand verstehen mag: «Beim Bosnienkrieg vor zwanzig Jahren ging es nicht um Menschen, sondern um Politik, Macht, Religion und Landverteilung.» Nach dem Krieg, bei den ersten bosnischen Nachkriegswahlen bei Flüchtlingen in Kroatien, da vertrat Tobias Wernle die Schweiz in der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Seine Frau Marija und er haben schon einige Hilfsprojekte auf die Beine gestellt. Dank ihnen treffen wir hier jetzt auch die Frauen von Srebrenica.

Gegen das Vergessen
Warum tun sie sich das an? Diese Frauen hier, die Fremden immer wieder von ihren Erlebnissen erzählen? Den Schmerz jedes Mal von neuem durchleben? «Wir wollen, dass man etwas aus unserer Vergangenheit lernt», sagt Munira Subašic&#769;. Sie ist eine der Witwen und setzt sich als Präsidentin für die Hilfsorganisation «Mothers of Srebrenica and Zepa Enclaves» ein. «Unsere Aufgabe ist, als überlebende Zeuginnen davon zu reden, die Sachen beim Namen zu nennen.» Sie sagt es ohne Wut, ohne Hass. «Meine Enkelin Sara soll auch kroatische, serbische und Roma-Freundinnen haben. Damit sich so etwas nicht wiederholt». Dass die verschiedenen Ethnien sehr wohl «als eine multinationale, multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft» zusammenleben können, davon ist auch der katholische Bischof Franjo Komarica überzeugt. «Alles andere ist eine Lüge und eine politische Erfindung.»

Das Trauma
Alles ist anders, als vor dem Krieg. «Unsere Kultur ist tot», sagt Haris Hadžihajdarevic&#769;, 41 Jahre alt, Reiseführer und Mitarbeiter eines neu aufgebauten Nationalparks bei Bihac&#769;. Der studierte Jurist versucht, sich mit mehreren Jobs über Wasser zu halten. «Zum Weggehen bin ich zu alt. Wer hier bleibt, muss ein breites Spektrum abdecken und gut improvisieren können.» Es gibt auch jene, die zurückkommen, um einen Traum zu verwirklichen. Wie Almir Kurtovic&#769;. Der in Wollerau wohnende Bosniake, also Bosnier mit muslimischen Wurzeln, restauriert nahe bei Bihac&#769; die kriegsgeschädigte Burg Ostrožac. Er investiert sein letztes Geld, um sie vor dem Einsturz zu bewahren. Seine Passion ist die Vergangenheit. Jene vor dem Krieg. Hier lebt er, hier spielen seine Geschichten. «Bosnien ist ein Märchenland. Die Menschen haben es zur Hölle gemacht.»

In Srebrenica, nicht weit von der Halle entfernt, betreten wir die Gedenkstätte. Sind inmitten von unzähligen weissen Grabsteinen. Einige Gruben sind frisch ausgehoben – für die Särge mit den neu identifizierten Opfern. Neben mir steht Eljub Ramic. Auch sein Grossvater, sein Onkel, sein Cousin wurden damals in verschiedene Lager verschleppt. «Du musst das irgendwie verarbeiten. Nicht vergessen. Aber verarbeiten.» Er war zehn als seine Familie ein Jahr vor dem Krieg nach Zug kam. In der Schweiz ist er zu Hause, seine beiden Kinder kriegen sowohl Schweizer wie auch bosnische Werte mit auf den Weg. Diese Reise fordert auch ihn. «Das Schlimme ist, wie soll ich sagen, du siehst die Leute, die da liegen. Theoretisch wärst du auch da.» Er zögert. «Einerseits bist du dann glücklich, dass du nicht da liegst. Anderseits fragst du dich: ‚Warum ich nicht?’»

Text Michaela Eicher

Fotoreportage auf www.stadtzug.ch/bosnien